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Am 1. Januar 2023 tritt das revidierte Aktienrecht in Kraft. Es soll den Rechtsrahmen für Gesellschaften modernisieren, die Aktionärsrechte stärken sowie mehr Flexibilität bei der Ausschüttung von Dividenden und bei der Gestaltung der Kapitalstruktur schaffen. Gerne informieren wir Sie nachfolgend über die wichtigsten Änderungen, welche für Ihr KMU von Bedeutung sein könnten.

Aktionärsrechte
Im neuen Aktienrecht können Aktionäre von privaten, also nicht börsenkotierten Gesellschaften, die mindestens über 10% des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen, vom Verwaltungsrat jederzeit und nicht nur an der Generalversammlung Auskunft verlangen. Weiter können Aktionäre, die mindestens über 5% des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen, Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen sowie die Traktandierung von Verhandlungspunkten verlangen oder eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen. Bis anhin lag der Schwellenwert bei 10%.
 

Durchführung der Generalversammlung
Die Generalversammlung kann neu virtuell, z. B. in Form einer Videokonferenz, durchgeführt werden. Künftig besteht die Möglichkeit, den Geschäftsbericht den Aktionären vor der Generalversammlung nur elektronisch zugänglich zu machen, statt wie bisher physisch aufzulegen bzw. zu verteilen. Die Durchführung einer rein virtuellen Generalversammlung ist in den Statuten zu verankern.
 

Zwischendividende
Neu können auch aus Gewinnen des laufenden Geschäftsjahres Dividenden ausgeschüttet werden (sog. «Interimsdividenden »). Die Generalversammlung kann gestützt auf einen unterjährigen Zwischenabschluss eine Zwischendividende beschliessen. Der Zwischenabschluss ist durch die Revisionsstelle zu prüfen, ausser wenn sämtliche Aktionäre der Ausrichtung der Zwischendividende zustimmen und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden. Falls eine Gesellschaft auf eine Revisionsstelle verzichtet hat (sog. «Opting-out»), ist ebenfalls keine Prüfung erforderlich. Unabhängig von der neuen Gesetzgebung dürfen bei beanspruchten Covid-19 Krediten oder erhaltenen Härtefallentschädigungen keine Dividenden oder Tantiemen ausbezahlt werden bis zur vollständigen Rückzahlung des Kredites resp. bis nach Ablauf der vorgegebenen Frist von drei Folgejahren nach Erhalt der Entschädigung.
 

Kapitalband
Das Aktienkapital beträgt noch immer mindestens CHF 100‘000. Neu können die Statuten jedoch ein sogenanntes Kapitalband mit einer Bandbreite von plus 50% bzw. minus 50% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals vorsehen. Innerhalb des Kapitalbands kann der Verwaltungsrat das Aktienkapital während einer Dauer von maximal fünf Jahren herabsetzen oder erhöhen. Das Mindestkapital von CHF 100‘000 darf jedoch nicht unterschritten werden. Das Kapitalband ist nur dann möglich, wenn die Gesellschaft nicht auf die eingeschränkte Revision verzichtet hat.
 

Verantwortung des Verwaltungsrates
Der Verwaltungsrat hat die unübertragbare Aufgabe zur Finanzkontrolle und somit zur Überwachung von Liquidität und Vermögen der Gesellschaft. Mit dem neuen Aktienrecht bestehen ergänzend zu den Handlungspflichten bei Kapitalverlust und Überschuldung ausdrückliche Pflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit: Dabei geht es beispielsweise um das Ergreifen von Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität, die Erarbeitung von Sanierungsmassnahmen sowie das Einreichen des Gesuchs um Nachlassstundung.
 

Wie Sie sehen, ergeben sich mit den geänderten Bestimmungen diverse neue Rechte und Möglichkeiten. Auf der anderen Seite haben Sie als private Eigentümer eines KMU die Pflicht, Ihre Statuten und Reglemente sowie allenfalls Verträge, die den Vorschriften des neuen Aktienrechts nicht entsprechen, innerhalb von zwei Jahren (bis Ende 2024) dem neuen Recht anzupassen.
 
 

Dieser Artikel ist am 29.9.2022 in der Winterthurer Zeitung erschienen

Ein Beitrag von Martin Graf